Eine Software-Firma schätzt Nürnberg. Und verlässt die Stadt trotzdem nach zehn Jahren. Rafael Laguna, Gründer und Vorstandschef der Open-Xchange AG, erklärt warum. Und was das Amtsgericht der Stadt damit zu tun hat.
"Open Source", "offene Quelle" also, nennen ITler Software, deren Quellcode jeder frei einsehen und verändern kann. Die Open Xchange AG hat daraus ein profitables Geschäftsmodell entwickelt. Die Firma (250 Mitarbeiter) entwickelt Software für die Internetwirtschaft. 240 Millionen Menschen nutzen die E-Mail-Lösung auf Linux-Basis. Nürnberg war bis 2018 Firmensitz. Zeit für einige Fragen an den Gründer und Vorstandschef Rafael Laguna.
SZ: Sie haben Open Xchange in Olpe im Sauerland gegründet, Nürnberg spielt aber eine zentrale Rolle. Warum?
Rafael Laguna: Weil die Stadt ein Hotspot für Open-Source-Software ist. Das hat viel mit der Firma Suse Linux zu tun. Sie war einer der ersten Anbieter einer Linux-Distribution. Der Zusammenbruch des neuen Marktes ließ die Firma finanziell ins Straucheln geraten. Ich bin damals als Investor eingestiegen, denn die Qualität der Produkte bei Suse war ungeachtet der Probleme hervorragend. Also bin ich für zwei Jahre nach Nürnberg gezogen und habe dabei geholfen, die Suse wieder auf die Beine zu stellen. Das ist die Vorgeschichte.
Und wie kam es dann zu Open Xchange?
Nicht zuletzt dank Suse gab es in Nürnberg von Anfang an eine Open-Source-Szene mit vielen Top-Leuten, die sich auf diesem Gebiet auskannten, engagierten und entsprechend einbrachten. Nürnberg ist für uns ein sehr wichtiger Standort. Ab 2008 war hier unser Firmensitz, den wir kürzlich allerdings nach Köln verlagert haben.
Warum Köln statt Nürnberg?
Wir waren mit dem Amtsgericht Nürnberg extrem unzufrieden. Die haben dort Monate gebraucht, um Änderungen, etwa im Zuge von Kapitalerhöhungen, ins Handelsregister einzutragen. So etwas behindert das Geschäft, denn wenn Investoren einsteigen, fließt das Geld erst, wenn die Eintragung erfolgt ist. Für Start-ups ist das unter Umständen eine Katastrophe. Wir hatten deswegen dauernd Ärger mit dem Amtsgericht und wenn wir nachgefragt haben, hat das niemanden dort interessiert. Der Service für Firmen ist gleich null. Also haben wir entschieden, nach Köln zu gehen. Da geht das alles viel schneller.
Wie hat sich Ihr Geschäft in den zehn Nürnberger Jahren entwickelt?
Hervorragend. Wir haben heute etwa zwei Dutzend Mitarbeiter hier. Das klingt nicht nach viel, aber die schiere Zahl ist bei uns nicht entscheidend, weil viele Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten. In unserem Geschäft kommt es darauf an, nicht einen großen, sondern möglichst viele, sinnvoll verteilte Standorte zu haben. Unsere Entwickler sitzen außer in Nürnberg auch in Olpe, Helsinki, Hamburg, Bremen, Köln oder Den Haag, und wir haben rund um den Globus Vertriebs- und Servicestandorte.
Sie kamen damals von außen. Was sind die Stärken des Standorts Nürnberg?
Nürnberg ist in der IT-Branche ein Hidden Champion. Inzwischen lehrt in Erlangen ja sogar ein Professor für Open Source. Überhaupt ist die Ausbildungssituation hervorragend. Was das intellektuelle Kapital angeht, muss sich Nürnberg nicht hinter Metropolen wie Frankfurt oder Berlin verstecken. Ich glaube, das liegt am technisch-industriellen Hintergrund der Region.
Worauf spielen Sie an?
Viele der großen Technologie-Grundpfeiler dieser Nachkriegsrepublik waren in und um Nürnberg angesiedelt. Da ist eine Ingenieurskultur entstanden, die mich immer schwer beeindruckt hat.
Und was sind die Schwächen - außer dem aus Ihrer Sicht langsamen Gericht?
Die Bürosituation und die Verkehrsanbindung könnten besser sein. Der Flughafen ist schon arg klein. Und wenn ich mit dem ICE zum Beispiel von Köln nach Nürnberg fahre, geht das bis Frankfurt rasend schnell. Danach zockelt der Zug behäbig bis Nürnberg. Auch sonst werden viele Chancen noch nicht genutzt. Man müsste geschickteres Regionalmarketing betreiben und könnte die Region international besser vermarkten. Denn Nürnberg hat viel zu bieten und könnte seine Brust viel selbstbewusster rausstrecken.